Naheliegende Ursachen für herausfliegende Werkstücke – zum Beispiel, dass diese zu kurz, schief oder nicht fest genug eingespannt sind – zeigen sich bei genauerer Unfallanalyse als zu oberflächlich.
Spannkraft bei Erreichen der Solldrehzahl entscheidend
Entscheidend dafür, ob ein Werkstück sicher eingespannt ist, ist nicht die Spannkraft direkt nach dem Einspannen, sondern bei Erreichen der Solldrehzahl auf das Werkstück. Berechnungsgrundlage hierfür ist die VDI 3106 „Ermittlung der zulässigen Drehzahl von Drehfuttern (Backenfuttern)“.
Durch die Rotation erfahren die Spannbacken eine Beschleunigung nach außen, Zentrifugal- oder Fliehkraft genannt. Bei Außenspannungen ist diese der eigentlichen Spannkraft genau entgegengerichtet und wird mit zunehmender Drehzahl größer. Ist die erforderliche Mindestspannkraft zu gering, wird das Werkstück unkontrolliert freigesetzt. Den physikalischen Zusammenhang verdeutlicht das Spannkraft-Drehzahl-Diagramm.
Aus der aufgebrachten Spannkraft im Stillstand (FSp0) ergibt sich demnach, bis zu welcher Drehzahl das Werkstück noch sicher vom Drehfutter festgehalten wird. Im Laufe des Betriebes wird das Schmierfett durch die Rotation herausgedrückt und es setzen sich Späne und Staub im Spannfutter ab. Die Kraftübertragung auf die Spannbacken ist dann gehemmt und die auf das Werkstück wirkende Spannkraft nimmt ab.
Je nach Schmierzustand kann sich die Spannkraft bis auf die Hälfte reduzieren. Ein Spannfutter muss „bei Abnahme der Spannkräfte“ oder etwa alle 200 Stunden (genaue Angaben finden sich in den Herstellerunterlagen) komplett zerlegt und gereinigt werden. Um beurteilen zu können, welche Spannkräfte tatsächlich auf ein Werkstück übertragen werden, ist der Einsatz eines Spannkraftmessgerätes verpflichtend. Hierbei wird ein Messkopf im Spannfutter eingespannt. Über eine Funkverbindung können auch während des Betriebes die Spannkräfte aufgezeichnet werden.
Grundlegende Sicherheitsanforderungen einhalten
Darüber hinaus sind die grundlegenden Sicherheitsanforderungen einzuhalten. Gemäß EN 1550 „Sicherheit von Werkzeugmaschinen – Sicherheitsanforderungen für die Gestaltung und Konstruktion von Spannfuttern für die Werkstückaufnahme“ müssen auf dem Spannfutter neben Hersteller und Seriennummer folgende Informationen eingeprägt sein:
- die maximal eingeleitete Betätigungskraft oder das maximal eingeleitete Drehmoment,
- die maximal gemessene statische Spannkraft (FSp0) bei maximaler eingeleiteter Kraft (oder Drehmoment),
- die maximale Drehzahl.
Die Angaben mĂĽssen mit den Gegebenheiten der Maschine (Zylinder, Spannzylinder) verglichen werden.
Empfehlungen fĂĽr den sicheren Betrieb
Vor dem Einsatz:
- Bei manuellen Spannfuttern muss nach jedem Spannvorgang der FutterspannschlĂĽssel abgezogen und beiseite gelegt werden (auch durch federkraftgespannten Auswurf).
- Bei hydraulisch betätigten Spannfuttern ist zu prüfen, ob der Öldruck am Spannzylinder korrekt eingestellt ist.
- Ist das Spannfutter für die Bearbeitung geeignet (max. U/Min. / Spannkräfte etc.)?
- Sind passende Aufsatzbacken in Verwendung (Spannbereich beachten)?
Während des Betriebes:
- Bei längeren Arbeiten muss nachgespannt werden. Spannbacken drücken sich in das Werkstück ein, dadurch nehmen die Spannkräfte ab.
- Nach etwa 500 Spannungen mĂĽssen die Spannbacken mehrmals ganz auf- und zugefahren werden, um das Fett wieder zu verteilen.
Nach dem Arbeiten:
- Die Spannkraft muss in angemessenen Zeiträumen überprüft werden.
- Die Spannfutter sind einmal pro Jahr oder nach 200 Betriebsstunden (Herstellerangaben beachten) auseinanderzubauen, zu reinigen und zu fetten. Nur so können die entsprechenden Spannkräfte gewährleistet werden.
- Nach Angaben des Herstellers sind geeignete Schmierfette zu verwenden.
- Instandsetzungen sollen nur durch Beauftragte und unterwiesene Personen durchgefĂĽhrt werden.
Torsten Welz und Alois HĂĽning (Nachdruck aus BGHM-Aktuell 6/2018)