Ein Mann mit Brille spricht mit einem Mann mit grauen Haaren

Der Arbeitsmedizinier berät und betreut bei allen Fragen zu gesundheitlichen Gefährdungen im Betrieb

Einige Beispiele aus der Praxis, die zeigen, welchen Fragen an Betriebsärzte und -ärztinnen herangetragen werden:

Beispiel 1

Anfrage bezogen auf die Gefährdungsbeurteilung und Grundlagen der betriebsärztlichen Betreuung und Beratung: „Wir haben den Auftrag für die Elektroinstallation in einem Krankenhaus bekommen. Mit welchen gesundheitlichen Gefährdungen ist da zu rechnen?“ oder: „Wir planen ein Projekt in Südostasien. Wie steht es um die Reiseimpfungen?“

Beispiel 2

Anfrage bezogen auf die Gefährdung der Haut durch irritativ wirkende Substanzen: „Seit wir ein neues Kühlschmiermittel einsetzen, haben einige Kollegen und ich rissige und juckende Haut. Kann das damit zusammenhängen? Mein Hausarzt kann mir das nicht so genau sagen.“ Hintergrund: Hauterkrankungen gehören zu den häufigsten Gründen für Meldungen auf eine Berufskrankheit.

Beispiel 3

Anfrage bezogen auf eine mögliche Eignungsuntersuchung und die Betrieblichen Wiedereingliederung – BEM: „Mein langjähriger Mitarbeiter kommt demnächst nach längerer Krankheit zu uns zurück, ich habe aber Sorge, ob ich ihm die gleichen Arbeiten problemlos wieder übertragen kann. Sein Gesundheitszustand muss ernst gewesen sein.“

Anrufe und Anfragen – wie in den Beispielen 1 bis 3 gezeigt – erreichen die Beschäftigten des Fachgebiets Arbeitsmedizin in der BG ETEM häufig, sowohl von Beschäftigten als auch von Unternehmern und Aufsichtspersonen. Die vielfältigen Tätigkeiten und Aufgaben von Betriebsärzten vor Ort sind nicht allen Versicherten und Unternehmern bekannt.

Manchmal wird daran gedacht, den Hausarzt, der in der Nähe der Firma seine Praxis führt, hinzuzuziehen oder Mitarbeiter z. B. zur arbeitsmedizinischen Vorsorge dorthin zu schicken. Wenn der Arzt in der Nähe die sogenannte Fachkunde besitzt und an seinem Praxisschild „Betriebsmedizin“ zu finden ist, ist das auch richtig.

Die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ als Nachweis für eine besondere Qualifikation eines Arztes gibt es häufig. Daneben tritt auch die Bezeichnung „Facharzt für Arbeitsmedizin“ auf. Sie bescheinigt ebenfalls die erworbene Fachkunde in der Arbeitsmedizin (fachärztliche Qualifikation) durch Aus- und Weiterbildung (Fachkundenachweis).

Ein Facharzt für Arbeitsmedizin hat – wie andere Fachärzte, z. B. Fachärzte für Dermatologie oder Fachärzte für Allgemeinmedizin – eine langjährige Ausbildung durchlaufen. Die fachärztliche Weiterbildung und die erworbene Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ schließen mit einer Prüfung vor der Ärztekammer ab.

Der Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ und der Facharzt für Arbeitsmedizin sind Spezialisten. Die umfangreiche Berufsausbildung zielt darauf ab, berufsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, solchen Erkrankungen möglichst durch geeignete Maßnahmen im Sinne des Arbeitsschutzes vorzubeugen (daher der Begriff Prävention) und, falls es doch zu Erkrankung gekommen ist, die weitere Behandlung – z. B. bei anderen (Fach-)Ärzten oder therapeutische Möglichkeiten – anzubahnen.

Häufig wird kein Unterschied zwischen einem „Betriebsarzt“ und einem „Facharzt für Arbeitsmedizin“ gemacht. Die Bezeichnung „Betriebsarzt“ hat sich etabliert. Beide sind fachkundig im Sinne von Gesetzen und Vorschriften im Arbeitsschutzbereich.

Ein Betriebsarzt muss nach den Arbeitsschutzvorschriften vom Unternehmer „bestellt“ (= benannt) werden. Der Betriebsarzt kann fest in einem Unternehmen angestellt sein oder das Unternehmen beauftragt einen externen Betriebsarzt mit den Aufgaben im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes. Die Beschäftigten sind über die betriebsärztliche Betreuung zu informieren (Aushang) und der Zugang zum Betriebsarzt muss innerbetrieblich geregelt sein.

Obwohl der Unternehmer einen Betriebsarzt mit der Wahrnehmung betriebsärztlicher Aufgaben beauftragt, ist der Betriebsarzt weisungsfrei und beratend tätig. Die Beratung zu Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sollte mit der für den Betrieb zuständigen Fachkraft für Arbeitssicherheit abgestimmt sein.

Arbeitsmedizinische Fachkunde

Betriebsarzt = fachkundiger Arzt

=

Arzt (Approbation)

+

a) Facharzt fĂĽr Arbeitsmedizin
oder
b) Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“
(Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin dürfen die Zusatzbezeichnung nach entsprechender Weiterbildung tragen)
– ggf. Qualifikationen erfragen

Was ist Prävention?

Wenn Beschäftigte am Arbeitsplatz oder bei Tätigkeiten Kontakt zu

  • chemischen Arbeitsstoffen (z. B. Gefahrstoffen)
  • oder Biostoffen (z. B. Krankheitserreger) haben können
  • oder physikalischen Einwirkungen (z. B. Lärm) ausgesetzt sein können oder sind,

ist es besonders wichtig, vor diesen krank machenden Einflüssen zu schützen. Prävention kann laut der Weltgesundheitsorganisation WHO (World-Health-Organisation) nach dem Zeitpunkt gegliedert werden (siehe Kasten).

Prävention kann es auch mit Blick und Ziel auf die jeweiligen Maßnahmen geben. Nach dem Arbeitsschutzgesetz sind „Gefahren an der Quelle“ zu bekämpfen. Im Sinne des Arbeitsschutzes ist damit gemeint, dass zuerst die Arbeitsbedingungen zu beurteilen sind.

1. Verhältnisprävention:

ArbeitsschutzmaĂźnahme i. S. von S-T-O-P
S = Substitution
T = Technischer (Arbeits-)Schutz
O = Organisatorischer (Arbeits-)Schutz (z. B. Arbeitsmedizinische Vorsorge)
P = Persönlicher (Arbeits-)Schutz

Um zielgerichtete und wirksame Prävention zu erreichen, müssen zunächst die Arbeitsbedingungen beurteilt und dokumentiert werden – nicht nur im Hinblick auf die Vermeidung möglicher Unfälle, sondern auch mit Blick auf arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren (Gefährdungsbeurteilung). Dies schließt auch die psychischen Belastungen mit ein. Hierbei sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer von der Berufsgenossenschaft, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem Betriebsarzt und anderen Arbeitsschutzakteuren beraten und unterstützen lassen. Aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse zu arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und zu entsprechenden (Schutz-) und Präventionsmaßnahmen (s. o.) können sie dem Unternehmer wertvolle und wichtige Hinweise für die Umsetzung von sicherem und gesundheitsrelevantem Handeln geben/dazu beitragen.

2. Verhaltensprävention

Alleinige Veränderungen am Arbeitsplatz reichen in vielen Fällen für einen wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz aber nicht aus. Beschäftigte und Mitarbeiter müssen durch Information zum richtigen Verhalten und ggf. durch das Einüben bestimmten Verhaltens zum sinnvollen und richtigen Verhalten motiviert und angehalten werden. Damit tragen sie zu einem großen Teil zu einem Gelingen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei. Dies kann nicht nur persönliches Leid durch Unfall oder Krankheit verringern, sondern auch die Kosten von Unfall- und anderen Sozialversicherungen.

Beschäftigte werden über mögliche Gesundheitsgefahren informiert, die durch die Tätigkeit oder Exposition entstehen können, bestimmtes Verhalten wird erklärt und ggf. geübt (z. B. die richtige Verwendung von Persönlicher Schutzausrüstung oder der richtige Umgang mit Gefahrstoffen oder Biostoffen). Die Unterweisung findet unter Beteiligung des Betriebsarztes statt.

Auch das richtige Verhalten bei Unfällen oder akuten Erkrankungen im Betrieb kann Leben retten. Erste-Hilfe-Maßnahmen und eine gut funktionierende betriebliche Organisation der Ersten Hilfe enthalten Anteile der Verhältnis- und Verhaltensprävention. Auch hierbei unterstützt der Betriebsarzt durch Beratung oder führt im Betrieb Übungen zur Ersten Hilfe mit Beschäftigten durch.

Ziele der primären Prävention:

  • Krankheiten (auch Berufskrankheiten) oder Unfälle sollen von vornherein verhindert werden
  • MaĂźnahmen setzen vor Eintreten einer Erkrankung oder eines Unfalls an
  • betrifft Gesunde, Risikogruppen fĂĽr bestimmte Krankheiten und Personen mit bestimmten Erkrankungen

Maßnahmen der primären Prävention können folglich sein:

Informationen, Aufklärung und Maßnahmen zum Schutz vor möglichen Erkrankungen (z. B. die allgemeine Beratung zu gesundheitsgerechtem Verhalten durch den Betriebsarzt, Informationen/Aktionen bei Gesundheitstagen im Sinne der betrieblichen Gesundheitsförderung).

Darüber hinaus ist es sinnvoll und möglich, bestimmten Risikofaktoren vorzubeugen, unter denen eine Erkrankung auftreten könnte (z. B. die besondere Beachtung und Umsetzung von betrieblichen und individuellen Maßnahmen am Arbeitsplatz, wenn eine Veranlagung zu einer Erkrankung besteht).

Impfungen gegen bestimmte arbeitsrelevante Krankheitserreger (z. B. Hepatitis A oder B, sog. Biostoffe) können vor schwerwiegenden Infektionskrankheiten schützen. In diesem Sinn kann man Impfungen, die der Arbeitgeber über den Betriebsarzt und der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei besonderen Infektionsgefährdungen durch die Tätigkeit den Beschäftigten anbieten muss, als Primärprävention verstehen.

Ziele der sekundären Prävention:

  • Krankheit soll im FrĂĽhstadium erkannt und ein Fortschreiten oder gar eine Chronifizierung möglichst verhindert werden
  • MaĂźnahmen setzen bei Eintreten einer Erkrankung an; dabei können erste Symptome oft auch unbemerkt sein (FrĂĽhstadium)
  • betrifft Personen, die als „Gesunde“ oder „Symptomlose“ an PräventionsmaĂźnahmen teilnehmen

Maßnahmen der sekundären Prävention können folglich sein:
Betriebsärztliche (individuelle) Beratung oder die Arbeitsmedizinische Vorsorge

Ziele der tertiären Prävention:

  • Krankheit/Behandlung ist bereits eingetreten
  • MaĂźnahmen setzen nach einer Erkrankung und/oder Behandlung ein, um
  • Folgeschäden oder RĂĽckfällen vorzubeugen und zu verhindern
  • betrifft Menschen (Patienten) mit chronischen Beeinträchtigungen

Maßnahmen der tertiären Prävention können folglich sein:
Betriebsärztliche (individuelle) Beratung und Mitwirkung im Sinne der Betrieblichen Wiedereingliederung

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Aus der Gefährdungsbeurteilung muss hervorgehen, ob und welche Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz abzuleiten und zu organisieren sind. Dies können die Information und allgemeine Beratung zu gesundheitlichen Gefährdungen im Sinne der allgemeinen Unterweisung sein, an der der Betriebsarzt nach Möglichkeit mitwirken sollte. Hierbei können Beschäftigte allgemein über Risiken (z. B. bestimmte Erkrankungen, Wechselwirkungen von Medikamenten und Einflüsse aus der Arbeit oder besondere Verhaltensmaßnahmen) oder über die Möglichkeit der arbeitsmedizinischen Vorsorge – bezogen auf ihre Tätigkeit – informiert werden.

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge listet Tätigkeiten auf, die z. B. bei Exposition oder bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte arbeitsmedizinische Vorsorge verpflichtend vorschreiben oder die der Beschäftigte wahrnehmen kann. Für die Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge trägt der Unternehmer die Verantwortung. Je nach „Gefährlichkeit“ der Tätigkeiten oder Expositionen z. B. mit Gefahrstoffen sind entweder

  • Pflicht-,
  • Angebots-,
  • Wunsch- oder
  • Nachgehende Vorsorge zu organisieren oder anzubieten.

Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge kann der Betriebsarzt unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Beschäftigten besondere Gesundheitsrisiken besprechen und über individuelle, geeignete Schutz- oder Verhaltensmaßnahmen beraten. In diesem Rahmen können auch wichtige Weichen für eine frühzeitige fachärztliche Behandlung gestellt werden, z. B. bei oft unbemerkten, schleichenden chronischen Erkrankungen (Diabetes mellitus = erhöhter Blutzucker mit den Folgeschäden für Blutgefäße, Nierenfunktion und Augen).

Kommen Beschäftigte z. B. nach Krankheit oder Unfall an ihren Arbeitsplatz zurück, so ist ihre betriebliche Wiedereingliederung zu organisieren. Hierbei kann der Betriebsarzt mitwirken, z. B. durch

  • Beratung des Beschäftigten zu sozialmedizinischen Fragen und zum richtigen Verhalten oder Umgang mit einer Erkrankung am Arbeitsplatz
  • Beratung des Unternehmers z. B. zur Umgestaltung von Arbeitsplätzen.

Dabei können auch Sozialversicherungsträger, z. B. die Deutsche Rentenversicherung oder die Berufsgenossenschaften mitwirken.

Auch bei Berufskrankheitenverfahren spielt der Betriebsarzt eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei Hauterkrankungen:

  • Mitwirkung bei der Auswahl und Beurteilung von Hautmitteln,
  • Mitwirkung bei der Auswahl oder Ă„nderung von Arbeitsstoffen (z. B. Beurteilung der Zusammensetzung von KĂĽhlschmierstoffen – KSS – mit hautschädigenden Eigenschaften).

Staatliche Arbeitsschutzregelungen/Normenhierarchie*

* Die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) konkretisiert das Arbeitsschutzgesetz gleichwertig zu allen anderen Arbeitsschutzverordnungen.

Gesetze

Arbeitsschutzgesetz

Arbeitsschutzgesetz

Arbeitsschutzgesetz,Chemiekaliengesetz

Verordnungen

ArbMedVV

Biostoffverordnung

Gefahrstoffverordnung

Regeln

Arbeitsmedizinische Regeln (AMR)

Technische Regeln fĂĽr biologische Arbeitsstoffe (TRBA)

Technische Regeln fĂĽr Gefahrstoffe (TRGS)

Fachtexte

Arbeitsmedizinische Empfehlungen (AME)

Fazit

Es ist durchaus möglich, Beschäftigte mit Krankheitsrisiken oder mit bereits vorliegenden Erkrankungen durch die Mitwirkung des Betriebsarztes oder durch Präventionsmaßnahmen leistungsfähig im Arbeitsprozess zu behalten.

Susanne Bonnemann