Das Reinigen von Werkstücken mit Reinigungsflüssigkeiten ist in fast allen Branchen der BG ETEM anzutreffen – beispielsweise an Werkzeugen im Werkzeugbau, in Kfz-Werkstätten, an Kabelenden in der Erdkabelmontage, bei der Vorbehandlung in der Galvanotechnik, an Oberflächen vor dem Aufbringen von Lackschichten u. a.
Genauso vielfältig wie die Einsatzbereiche sind die eingesetzten Reinigungsmittel und Reinigungseinrichtungen. Um eine arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung erstellen zu können, müssen hierüber ausreichende Kenntnisse vorliegen. Eine systematische Vorgehensweise ist unabdingbar. Eine Reihe aktueller Regelungen und Schriften kann hierbei sehr hilfreich sein.
Reinigungsmittel und mögliche Gefährdungen
Reinigungsmittel können sein:
- Wässrige Reiniger (sauer, alkalisch oder mit waschaktiven Substanzen)
- Kohlenwasserstoffgemische (KW), additivfrei oder mit Additiven versetzt, sog. Komplexe Kohlenwasserstoffhaltige Gemische (KKG)
- Chlorkohlenwasserstoffverbindungen (Perchlorethylen, Trichlorethylen u. a.) bei Verwendung in geschlossenen Reinigungseinrichtungen
- sonstige organische Lösemittel, wie z. B. Aceton, Ethanol, Toluol
Das Ausmaß einer Gefährdung ergibt sich u. a. durch die gefährlichen Eigenschaften (Einstufung entsprechend CLP-Verordnung), die relevanten Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz, das Freisetzungsverhalten (Dampfdruck) sowie die Verarbeitungsverfahren (in offenen Gefäßen, in geschlossenen Einrichtungen u. a.). Erste Auskünfte zum Reiniger gibt das aktuelle Sicherheitsdatenblatt des Herstellers; Hinweise zu den Gefahrstoffen geben auch Datenbanken, wie z. B. GESTIS, GIS-BAU, GISCHEM, CHEMSAFE.
Generell sind Reiniger bei wiederholtem Hautkontakt durch die Entfettungswirkung hautgefährdend. Im Einzelfall kann die Gefahr unter Beachtung der TRGS 401 mithilfe der „Gefährdungsmatrix“ beurteilt werden. Eine grobe Übersicht zu den Hauptgefährdungen der in der Praxis häufig eingesetzten Reinigungsmittel und anzuwendender Luftgrenzwerte gibt Tabelle 1.
DGUV Information 209-088
Reinigungsmittel | Relevante Gefahrstoffe | Hauptgefährdungen | Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz |
---|---|---|---|
Wässrige Reiniger (alkalisch oder sauer) |
u. a. Natronlauge, Carbonate, Phosphate, Borate, Mineralsäuren, Tenside, wassergemischte Kühlschmierstoffe |
Je nach pH-Wert ( 11,5) Ätz- oder Reizwirkung auf Haut und Augen |
z. B. 0,5 mg/m³ (LIG) für Natronlauge |
Kohlenwaserstoffe (KW) – additivfrei |
Kohlenwasserstoffgemische (RCP-Gruppen) entsprechend Abschnitt 2.9 TRGS 900 |
Je nach Flammpunkt, ggf. entzündbare Flüssigkeiten; ggf. gesundheitschädlich beim Einatmen von Dämpfen oder Hautkontakt |
Gruppengrenzwerte in mg/m³ entsprechend Abschnitt 2.9 der TRGS 900: |
Additivierte Kohlenwasserstoffe (KKG) |
Nichtwassermischbare oder wassergemischte Kohlenwasserstoffprodukte mit mehr als 1 % Additive, siehe DGUV-Information 213-726 |
wie KW (s. o.) |
Nach dem Stand der Technik erreichbare Konzentrationen: |
CKW |
z. B. Trichlorethylen |
Krebserzeugend, Kategorie 1B |
33 mg/m³ (AK) |
Ketone |
z. B. Aceton |
Risiko der Fruchtschädigung „Y“; leicht entzündbar |
1200 mg/m³ (AGW) |
Alkohole |
z. B. Ethanol |
Risiko der Fruchtschädigung „Y“; leicht entzündbar |
380 mg/m³ (AGW) |
Aromaten |
z. B. Toluol |
Entwicklungsschädigend, Kategorie 2; hautresorptiv „H“; leicht entzündbar |
190 mg/m³ (AGW) |
AK = Akzeptanzkonzentration
TK = Toleranzkonzentration gemäß TRGS 910
AGW = Arbeitsplatzgrenzwert gemäß TRGS 900;
LIG = Liste internationaler Grenzwerte (siehe www.GESTIS.de)
„Y“ gibt einen Hinweis auf Fruchtschädigung; „H“ bedeutet der Gefahrstoff ist hautresorptiv, d. h. gelangt durch die unverletzte Haut in den Organismus (siehe TRGS 900).
Reinigungseinrichtungen
Entscheidend für die Höhe einer Exposition ist letztlich das Verarbeitungsverfahren. Die Gefährdung nimmt ausgehend von der offenen Anwendung hin zur geschlossenen, dichten oder abgesaugten Anlage ab.
- Reinigungsgefäße (z. B. kleinere Tauchgefäße auf Werktischen)
- Reinigungstische (Waschtische mit untergestellten Vorratsfässern und Flüssigkeitspumpe)
- Reinigungsanlagen (geschlossene automatische Durchlaufanlagen) – siehe Abbildung 1.
Gefährdungsbeurteilung zum Gefahrstoffumgang
Am Anfang der Gefährdungsbeurteilung steht immer die Frage nach der Substitution, d. h.: Kann für den Anwendungszweck ein möglichst unkritisches Reinigungsmittel eingesetzt werden? Oder lässt sich ein möglichst emissionsarmes Reinigungsverfahren anwenden? Das Ergebnis der Substitution muss dokumentiert werden (TRGS 600). Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind dann die Gefährdungen beim Einatmen, Hautkontakt, Verschlucken sowie Brand- und Explosionsgefahren zu ermitteln und zu bewerten.
Reinigungsmittel | Anwendbare Regelungen und Schriften |
---|---|
Alle Reiniger und Reinigungseinrichtungen |
DGUV Information 209-088 „Reinigen von Werkstücken mit Reinigungsflüssigkeiten“ |
Wässrige, schwach alkalische Reiniger, u. a. wassergemischte Kühlschmierstoffe |
DGUV Regel 109-003 „Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen“ |
Kohlenwasserstoffe (KW) – additivfrei |
DGUV Information 213-072 „Lösemittel“(Merkblatt M 017) |
Additivierte Kohlenwasserstoffe (KKG) mit mehr als 1 % Additive |
DGUV Information 213-726 „Tätigkeiten mit sonstigen komplexen kohlenwasserstoffhaltigen Gemischen (KKG)“ Merkblatt M 043 „Kaltreiniger“ |
Saure oder alkalische Reiniger |
DGUV Information 213-070 „Reizende Stoffe, Ätzende Stoffe“ |
Chlorkohlenwasserstoffe |
Merkblatt M 040 „Chlorkohlenwasserstoffe“ |
Aus dem Ergebnis leiten sich schließlich die Schutzmaßnahmen ab. Hierbei gilt das bekannte TOP-Prinzip (siehe TRGS 400 und TRGS 500): Technische Maßnahmen haben immer Vorrang vor organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Mithilfe der angebotenen Regelungen, teils mit Expositionsbeschreibungen kann der „Weg“ der Gefährdungsbeurteilung deutlich abgekürzt werden (siehe Tabelle 2).
Peter Michels