Was ist Gesundheitsklima? Dass ein gutes Klima im Betrieb wichtig ist, ist mittlerweile in den meisten Unternehmen angekommen. Ein gutes Betriebsklima hat nicht nur Einfluss auf die Arbeitsergebnisse, sondern auch auf das psychische und körperliche Wohlbefinden der Beschäftigten.
Forschungsergebnisse zeigen, dass neben einem allgemein guten Betriebsklima speziell auch das Gesundheitsklima von Bedeutung ist. Da-mit ist die von Angestellten wahrgenommene Unterstützung von Seiten des Unternehmens hinsichtlich Gesundheitsthemen gemeint – das heißt, ob Mitarbeiter und Führungskräfte den Eindruck haben, dass dem Unternehmen ihre Gesundheit etwas wert ist und Arbeitsbedingungen möglichst gesundheitsförderlich gestaltet werden.
Das Gesundheitsklima beinhaltet auch die (manchmal unbewussten und nicht formal geregelten) Normen hinsichtlich Gesundheit im Unternehmen: Ist es üblich, dass man zu Hause bleibt, wenn man krank ist? Oder schleppt sich der Vorgesetzte trotz Grippe zur Arbeit und signalisiert damit, dass andere auch krank zur Arbeit kommen sollten? Ist es gewünscht oder erlaubt, dass man bei sehr viel Stress und Überforderung entlastet wird und um Unterstützung bitten darf? Oder sind Überstunden und Arbeit am Wochenende die Norm?
All diese Punkte zusammen formen die Wahrnehmung der Beschäftigten vom Gesundheitsklima in ihrem Unternehmen. Ein positives Gesundheitsklima verbessert nicht nur das Wohlbefinden der Angestellten, sondern – das zeigt die neueste Forschung – kann auch das Führungsverhalten der Vorgesetzten beeinflussen. In einer kürzlich durchgeführten Studie zeigen wir, dass in Organisationen mit einem positiven Gesundheitsklima Führungskräfte achtsamer hinsichtlich Gesundheitsthemen am Arbeitsplatz sind.
Die Folge: Führungskräfte führen gesundheitsförderlicher. Sie achten zum Beispiel darauf, ob Beschäftigte gesundheitlich an ihre Grenzen stoßen, oder motivieren Angestellte dazu, an Angeboten des betrieblichen Gesundheitsmanagements teilzunehmen.
Ein gesundheitsförderlicher Führungsstil hat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten, auch dann, wenn wir andere Führungsverhaltensweisen berücksichtigen.
Was bedeutet das für die Praxis?
Gesundheitsförderliche Führung klingt eigentlich ganz simpel: Führungskräfte sollten ein Vorbild in puncto Gesundheit sein, Wert auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter legen, deren gesundheitliche Warnsignale erkennen und darauf reagieren.
Aber so einfach ist es leider nicht. Die Praxis gestaltet sich oft weitaus komplizierter. Stellen wir uns das Szenario vor, wenn die Führungskraft bemerkt, dass sie selbst an ihre Belastungsgrenze stößt. Da ist aber noch dieses sehr wichtige Projekt, das bis zur nächsten Woche fertig sein muss.
Oder folgende Situation: Die Führungskraft bemerkt, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter sehr gestresst ist, immer häufiger Flüchtigkeitsfehler macht und gereizt reagiert – also mehrere Zeichen von Überlastung zeigt. Aber wie kann die Führungskraft sie oder ihn jetzt ansprechen, ohne ihr oder ihm „auf die Füße“ zu treten und vor den anderen Kollegen bloßzustellen?
Oder was ist, wenn der Angestellte gar nicht entlastet werden möchte, sondern von sich aus sehr leistungsorientiert ist und den Anspruch hat, alles alleine schaffen zu wollen?
Solche Situationen sind im Alltag eher die Regel als die Ausnahme. Und deswegen ist es wichtig, nicht nur am Verhalten der Führungskräfte anzusetzen, sondern die Gesundheitsförderung insgesamt in die organisationale Kultur einzubetten – nämlich durch ein positives Gesundheitsklima. Damit werden die organisationalen Rahmenbedingungen geschaffen, damit
- Führungskräfte gesundheitsförderlich führen können,
- Mitarbeiter gesundheitsförderlich arbeiten können und
- die Gesundheit und das Engagement von Mitarbeitern und Führungskräften aufrechterhalten und gestärkt wird.
Tipps für Führungskräfte
- Holen Sie sich Unterstützung von der Unternehmensleitung – seien Sie kein Einzelkämpfer in Sachen Gesundheit.
- Machen Sie Ihren Mitarbeitern häufig aktiv Gesprächsangebote und thematisieren Sie auch die Arbeitsbedingungen. Das verbessert das Klima und es fällt leichter, Überlastungen anzusprechen.
- Wenn Mitarbeiter eine starke eigene Anspruchshaltung haben: nicht missionieren, sondern Unterstützungsangebote machen und als selbstverständlich verkaufen.
- Und am wichtigsten: Sorgen Sie für sich! Bei Krankheit zu Hause bleiben, keine Überstunden und nicht nach Feierabend arbeiten wird „normal“, wenn Sie es aus der Tabuzone holen. Selbstfürsorge dient Ihrer eigenen Gesundheit und Sie sind Vorbild für die Mitarbeiter.
Wie könnte das aussehen?
Hier ist ein Top-down-Ansatz ganz wichtig: Das heißt, Gesundheitsförderung muss bei der obersten Management- ebene beginnen. Durch die Implementierung entsprechender Richt- oder Leitlinien, aber auch durch Routinen und Praktiken im Arbeitsalltag muss das Thema Gesundheit und Gesundheitsförderung zur Selbstverständlichkeit auf allen Unternehmensebenen werden.
Zum Beispiel signalisieren Gesundheitstage und Veranstaltungen zum Thema Gesundheit: Uns als Unternehmen ist das Thema wichtig. Gleichzeitig kann durch die Einführung oder den Ausbau des betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht nur die Gesundheit der einzelnen Angestellten verbessert, sondern auch das organisationale Gesundheitsklima gestärkt werden.
Antonia J. Kaluza
Zur Person
Antonia J. Kaluza ist Sozialpsychologin an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind gesundheitsförderliche Führung und Gesundheitsklima. Daneben ist sie in einer psychotherapeutischen Ambulanz in Frankfurt am Main tätig.