In vielen Wäschereien wechseln die Beschäftigten zwischen den Kontroll- und Näharbeitsplätzen. Das von Ihnen praktizierte Konzept einer Jobrotation, bei dem eine Person zwischen verschiedenen Tätigkeiten wechselt, ist aber viel umfassender. Warum?
Anja Rampf (Vorarbeiterin): Wir haben festgestellt, dass die Tätigkeiten an einigen Arbeitsplätzen nicht nur körperlich, sondern auch psychisch auf Dauer recht anstrengend sind. Durch die Monotonie fühlen sich die Mitarbeiter schnell auch unterfordert. Seitdem wir stärker wechseln, ist nicht nur die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage gesunken, sondern auch die Zufriedenheit gestiegen.
Gibt es weitere positive Effekte?
Tino Buhtz (Betriebsleiter): Ja. Wir sind so auch flexibler geworden, was den Arbeitsanfall an den verschiedenen Stationen betrifft. Die Flexibilität ist für uns sehr wichtig und macht sich beispielsweise auch bei Ausfällen wie Erkrankungen positiv bemerkbar. Zudem haben wir gemerkt, dass das Verständnis für die Tätigkeiten der anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den einzelnen Stationen und somit auch die Rücksichtnahme aufeinander gewachsen ist. Wir haben sogar den Eindruck, dass die Jobrotation zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Beschäftigten beigetragen hat.
Das klingt überzeugend. Aber ist es nicht schwierig, die Mitarbeiter an verschiedenen Stationen einzuarbeiten?
Fred Krischik (Technischer Leiter): Wie erwartet gab es anfangs einige Widerstände – vor allem bei Beschäftigten, die schon viele Jahre ihre Tätigkeit gewohnt sind. Bei den Neuen haben wir von Beginn an die Jobrotation eingeführt. Alle mit ins Boot zu holen, haben wir geschafft, indem wir genau erklärt und die optimalen Handgriffe wiederholt vorgezeigt haben. Wichtig war uns dabei unsere Fehlerkultur. Diese erlaubt nicht nur, dass Fehler passieren. Vielmehr war von Anfang an allen Beteiligten klar, dass es Zeit braucht, bis die Fehlerquote sinkt. Wir nehmen auch Druck weg, indem wir immer wieder offen zugeben, dass uns viele der Fehler „auch schon passiert“ sind.
Wie viel Zeit wird für die Einarbeitung in eine weitere Tätigkeit benötigt?
Rampf: Neue Kollegen fangen bei uns an der Aufbügelstation (Bildserie unten: ganz links) an und schlagen zwischendrin T-Shirts aus. Sobald sie ein Gefühl für die Wäsche bekommen haben, lernen wir sie an den Legemaschinen (Bildserie: ganz rechts) an. Nach etwa vier Wochen sitzen die Handgriffe. Dann ist auch erkennbar, welche weiteren Tätigkeiten für die Jobrotation infrage kommen.
Viele Tätigkeiten sind innerhalb von vier Wochen wirklich gut zu erlernen, auch was Maschinenstörungen anbelangt. Manche Arbeiten dagegen, z. B. das Expedieren (kundenspezifisches Vorsortieren und Verpacken der Wäsche vor dem Ausfahren, Anm. d. Red.) benötigen mehr als ein halbes Jahr Einarbeitungszeit.
Haben Sie Mitarbeiter, die überall eingesetzt werden können?
Krischik: Jeder unserer Mitarbeiter hat die Qualifikation für mindestens zwei bis drei verschiedene Arbeitsplätze. Eine Handvoll von ihnen können wir fast überall einsetzen. Aber unseren Betriebsleiter, den könnten wir wirklich überall einsetzen (lacht).
Haben Sie einen festen Rhythmus, nach dem gewechselt wird?
Buhtz: Nein, auch hier sind wir flexibel. Die Beschäftigten sprechen sich selbst untereinander ab. Da die Belastung unterschiedlich ist, wird zwischen manchen Tätigkeiten nur innerhalb der Woche, zwischen anderen aber fast stündlich gewechselt.
Ein Beispiel?
Rampf: Bei der Kontrolle müssen wir uns stark konzentrieren. Das wird auch schnell für die Augen anstrengend. Das Expedieren dagegen ist psychisch belastend. Das Wissen über die Kunden ist mit Verantwortung, aber auch psychischem Druck verbunden. Wenn hier etwas falsch zugeordnet wird, folgen unangenehme Beschwerden der Kunden. Eine Kollegin ist unter anderem deshalb vom Expedieren zum Scanning-Arbeitsplatz am Wareneingang gewechselt. Und auch hier ist ihr Wissen über die Kundenanforderungen von Vorteil für unsere Wäscherei. Die anderen Mitarbeiter an der Expedierstation wechseln beispielsweise zwischen Groß- und Kleinkunden und zwischendrin auch zum Aufbügeln. So bekommen sie den Kopf wieder frei und arbeiten danach wieder wacher und konzentrierter weiter.
Ergibt sich aus der verstärkten Jobrotation nicht auch eine erhöhte Gefährdung für die Beschäftigten?
Gunther Stengel (Fachkraft für Arbeitssicherheit): Natürlich sind die Risiken bei mehr Arbeitsplätzen gestreut. Wir sind kontinuierlich dabei, diese über das STOP-Prinzip (Substitution, Technische, Organisatorische, Persönliche Maßnahmen, die Red.) zu minimieren und legen großen Wert auf die arbeitsplatzbezogenen Unterweisungen.
Würden Sie mit Ihren Erfahrungen auch anderen Betrieben raten, vermehrt Jobrotation einzuführen?
Buhtz: Ja. Jobrotation macht immer Sinn – allein schon, um die Leute zu fordern.
Sind Ihre Kollegen mit der verstärkten Jobrotation zufrieden?
Rampf: Der größte Teil schon. Sie fühlen sich gut aufgehoben und fürchten sich auch nicht mal nachzufragen, da wir ein offenes Betriebsklima pflegen.
Interview: Dr. Sylvia Hubalek