Dieses Foto zeigt einen Teil von einem Baugerüst.

Die aktualisierte TRBS 2121 legt Wert auf größtmögliche Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeit auf Gerüsten

Wie bereits die im Jahr 2002 erstmalig in Kraft getretene Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sieht auch die aktuelle Verordnung die Bildung eines Ausschusses für Betriebssicherheit (ABS) vor, der u. a. die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) erarbeitet. Die TRBS konkretisieren für ihren jeweiligen Anwendungsbereich die Anforderungen der BetrSichV. Bei Einhaltung der Regeln können Arbeitgeber davon ausgehen, dass die für sie relevanten Anforderungen der Verordnung erfüllt sind.

Im Rahmen der letzten Bearbeitungsperiode hat der ABS u. a. eine Reihe von TRBS überarbeitet. Der vorliegende Beitrag stellt schwerpunktmäßig die Änderungen im Bereich der TRBS 2121 „Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz“ vor. Auf Zugangswegen zu Arbeitsplätzen und bei Arbeiten mit Absturzgefährdungen verzeichnet die BG ETEM – nach Verkehrsunfällen – die höchste Zahl von Arbeitsunfällen mit schwersten und teilweise tödlichen Verletzungsfolgen. Die bei einem Absturzunfall auf den menschlichen Körper einwirkenden Kräfte sind bereits bei niedrigen Sturzhöhen so hoch, dass solche Verletzungen „vorprogrammiert“ sind.

Die TRBS-Reihe zu Absturzgefährdungen umfasst neben dem Basisteil die Teile 1 bis 4. Dabei wurden ABS-seitig keine neuen Teile erarbeitet, sondern die bestehenden fünf Regelwerke mit Blick auf die Entwicklung des Standes der Technik bezüglich der Verwendung von Arbeitsmitteln angepasst und modernisiert. Im Basisteil der TRBS 2121 sind frühere mögliche Freiräume bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz nicht mehr enthalten. Bis zur Überarbeitung der TRBS 2121 war ein Verzicht auf die Anwendung Persönlicher Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) im Einzelfall zulässig, sofern Arbeiten durch geeignete und für die Ausnahmefälle unterwiesene Beschäftigte durchgeführt und mögliche Absturzkanten deutlich erkennbar waren.

Der bereits durch die TRBS-Ausgabe von Juli 2018 entfallende Freiraum verdeutlicht, wie notwendig Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz bei allen denkbaren Arbeitssituationen sind. Auch wenn bauliche Maßnahmen oder der Einsatz von Auffangeinrichtungen bei Arbeiten unverhältnismäßig erscheinen, kann durch die kompetente Verwendung von PSAgA ein weitgehender Schutz gegen Absturz erreicht werden.

Es kann nicht Aufgabe des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerks sein, pauschale Verzichtsbeschreibungen auf wesentliche technische und verhaltensbezogene Schutzmaßnahmen festzulegen. Im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes obliegt es vielmehr dem Arbeitgeber, für spezielle Tätigkeiten unter Berücksichtigung z. B. der örtlichen Gegebenheiten und der Qualifikation seiner Beschäftigten die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen.

TRBS 2121 Teil 1

Teil 1 der TRBS 2121 („Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz – Verwendung von Gerüsten“) wurde mit Blick auf präzise formulierte Begrifflichkeiten auf Basis der BetrSichV überarbeitet. Der Begriff „befähigte Personen“ wird nun ausschließlich im Zusammenhang mit erforderlichen Prüfungen von Gerüsten verwendet.

Die pauschale Forderung zum Schutz gegen Absturz im Basisteil wird in TRBS 2121 – Teil 1 verdeutlicht: Beschäftigte müssen beim Auf-, Um- und Abbau von Gerüsten immer gegen Absturz geschützt sein. Dabei muss die Absturzsicherung vorrangig als Seitenschutz ausgeführt sein:

  • für den vertikalen Handtransport mindestens als zweiteiliger Seitenschutz (bestehend aus Geländer und Zwischenholm) für den jeweiligen Gerüstabschnitt
  • für den Horizontaltransport auf der obersten Gerüstlage bei durchgehender Gerüstflucht mindestens als einteiliger Seitenschutz oder als Montagesicherungsgeländer.

Ist eine Absturzsicherung aufgrund baulicher Gegebenheiten wie z. B. Balkone oder Erker nicht möglich, sind Auffangeinrichtungen notwendig. Lassen sich beide Sicherungsformen nicht umsetzen, sind Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) erforderlich.

PSAgA können den gewünschten Schutz nur bei bestimmungsgemäßer Verwendung sicherstellen. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine besondere Gefährdungsbeurteilung für den Einsatz von PSAgA zur Verwendung auf Gerüsten zu erstellen und für eine ausreichende Qualifizierung seiner Beschäftigten zu sorgen.

Die Verwendung von PSAgA setzt voraus, dass geeignete Anschlagpunkte vorhanden sind. Diese sollten grundsätzlich oberhalb des Beschäftigten, bei längenorientierten Arbeits- und Schutzgerüsten mindestens in 1 m Höhe über der Standfläche des Beschäftigten angeordnet sein. Hinweise für geeignete Anschlagpunkte können z. B. die Aufbau- und Verwendungsanleitung des jeweiligen Gerüstherstellers sowie die Gebrauchsanleitung des Herstellers der PSAgA bieten.

Hat das Gerüst keine produktseitig vorhandenen Anschlagpunkte, kann der Gerüstbauer ggf. auf Bau- und Konstruktionsteile des Gebäudes, für das ein Gerüst erstellt wird – z. B. Stahlträger – zur Schaffung eines Anschlagpunktes zurückgreifen. Selbstverständlich ist durch den Gerüstersteller im Vorfeld festzulegen, welche Bauteile zur Schaffung von Anschlagpunkten verwendet werden dürfen.

Sind keine geeigneten Bauteile vorhanden, kann man Anschlageinrichtungen am jeweiligen Bauwerk verbauen. Hierbei sind die Einbauanleitungen der Hersteller genau zu beachten und der erfolgte Einbau zu dokumentieren.

Das Foto zeigt die Beine eines Arbeiters mit Arbeitsschuhen und Schutzstulpen, die über die Hose gezogen werden, um gesehen zu werden.

Beim Auf-, Um- oder Abbau müssen Beschäftigte auf Gerüsten gegen Absturz gesichert sein.

Rettung einer in der PSAgA hängenden Person

Insbesondere mit Blick auf den Einsatz von PSAgA ist die unter Umständen erforderliche Rettung einer in der PSA hängenden und verletzten Person zu berücksichtigen. Abhängig vom individuellen Rettungskonzept müssen daher am jeweiligen Einsatzort die erforderlichen Rettungsausrüstungen bereitstehen. Die Abläufe einer möglichen Rettung sowie die Verwendung von Rettungsgeräten bedürfen einer wiederkehrenden Übung. Deshalb ist eine wiederkehrende Unterweisung durch den Arbeitgeber erforderlich, zu der eine praktische Übung gehört.

Pauschal fordert die TRBS 2121 den Einsatz von Schutzhelmen mit Kinnriemen nach EN 397 zur Verwendung auf Gerüsten. Insbesondere bei einem Absturz ist der Gefahr eines Verlustes des Schutzhelms entgegenzuwirken.

Beim Auf-, Um- und Abbau von Gerüsten kommen künftig drei Personengruppen des Gerüsterstellers zum Einsatz:

  • fachkundige Personen und
  • fachlich geeignete Beschäftigte sowie
  • zur Prüfung befähigte Personen.

Dabei erstellt und aktualisiert die fachkundige Person des Gerüsterstellers u. a. die Montageanweisung, den Plan für den Gebrauch des Gerüstes und übernimmt insbesondere die Verantwortung als Aufsichtführender für die Tätigkeiten der fachlich geeigneten Beschäftigten. Fachlich geeignete Beschäftigte übernehmen die Auf-, Um- und Abbauarbeiten von Gerüsten und müssen für diese Tätigkeiten eine angemessene Unterweisung erhalten haben, die mindestens folgende sechs Schwerpunkte beinhaltet:

  1. Verständnis der gerüstspezifischen Montageanweisung
  2. sicherer Auf-, Um- oder Abbau des betreffenden Gerüstes
  3. Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz der Beschäftigten und gegen das Herabfallen von Gegenständen
  4. Maßnahmen zum Schutz gegen witterungsbedingte Gefährdungen der Beschäftigten und des betreffenden Gerüstes
  5. zulässige Belastungen
  6. alle anderen mit dem Auf-, Um- oder Abbau ggf. verbundenen Gefahren.

Prüfungen nach dem Auf- und Umbau eines Gerüstes sind ebenfalls durch einen Beschäftigten des Gerüsterstellers durchzuführen, der die Qualifizierung einer zur Prüfung befähigten Person besitzen muss. Der Gerüstersteller selbst ist zur Bereitstellung eines sicheren Gerüstes verpflichtet.

Da die Sicherheit eines Gerüstes wesentlich von den Montagebedingungen abhängt, sind Gerüste bereits im Sinne der BetrSichV generell vor der ersten Verwendung zu prüfen. Darüber hinaus darf der spätere Gerüstnutzer, z. B. ein beauftragtes Bauunternehmen, Gerüste nur benutzen lassen, wenn diese vor der erstmaligen Nutzung durch eine zur Prüfung befähigte Person geprüft wurden.

Die bereits vorgestellte fachkundige Person des Gerüsterstellers kann bei entsprechender Eignung ebenfalls diese Prüfaufgaben übernehmen. Arbeitgeber, die Gerüste für den Gebrauch durch eigene Beschäftigte erstellen, müssen diese ebenfalls vor dem erstmaligen Gebrauch durch eine zur Prüfung befähigte Person prüfen lassen.

Diese Abbildung zeigt eine Hand eines Arbeiters, der einen Handschuh trägt und einen großen Karabinerhaken an einer Gerüststange befestigt.

Vor dem Einsatz von PSA gegen Absturz auf Gerüsten ist mit dem Gerüstersteller zu klären, welche Bauteile sich als Anschlagpunkte für die PSA eignen.

Kennzeichnungspflicht

Aufgebaute und geprüfte Gerüste sind vor der erstmaligen Verwendung zu kennzeichnen. Dabei ist die Kennzeichnung am Gerüst (angeordnet sinnvollerweise am Zugang) in die Prüfung einzubeziehen. Sie stellt einen wesentlichen Bestandteil der späteren Inaugenscheinnahme und ggf. Funktionskontrolle des Gerüstes durch den Gerüstnutzer dar. Die Kennzeichnung muss mindestens informieren über:

  • Name, Adresse und Telefon-Nr. des Gerüsterstellers
  • Gerüstbauart
  • Last- und Breitenklasse
  • Angaben über eventuelle Nutzungsbeschränkungen
  • Warnhinweise
  • Datum der letzten Prüfung.

Der Gerüstnutzer muss das erstellte Gerüst vor der erstmaligen Benutzung in Augenschein nehmen und auf Funktionsfähigkeit hinsichtlich offensichtlicher Mängel kontrollieren. Er hat mit dieser Aufgabe eine qualifizierte Person zu beauftragen. Hierzu gehören z. B. Facharbeiter, die eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bau- und/oder Montagewerk haben oder durch eine zeitnah ausgeübte berufsnahe Tätigkeit und entsprechende Unterweisung über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen.

Die qualifizierte Person des Gerüstnutzers kontrolliert u. a. auf Grundlage der Gerüstkennzeichnung und ggf. eines Prüfprotokolls des Gerüsterstellers insbesondere

  • die Eignung des Gerüstes für die vom Gerüstnutzer durchzuführenden Arbeiten (erfolgt unter Berücksichtigung des vom Gerüstersteller verfassten Plans für den Gebrauch des Gerüstes)
  • die Eignung für den vorgesehenen Verwendungszweck als Arbeits- oder Schutzgerüst unter Berücksichtigung der Last-, Breiten- und Höhenklassen und
  • die Wirksamkeit der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen.

Wird das Gerüst von mehreren Arbeitgebern gleichzeitig oder nacheinander verwendet, muss jeder Arbeitgeber vor der Nutzung das Gerüst in Augenschein nehmen. Dabei kann der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Inaugenscheinnahme auf Dritte übertragen. So können z. B. vertraglich geregelt wiederkehrende Prüfungen durch Inaugenscheinnahmen durch den Gerüstersteller übernommen werden.

Prüfung von Gerüsten nach außergewöhnlichen Ereignissen

Nach außergewöhnlichen Ereignissen, die die Sicherheit eines Gerüstes beeinträchtigen können, ist zum Schutz der Beschäftigten eine Prüfung des Gerüstes durch eine zur Prüfung befähigte Person erforderlich. Zu solch außergewöhnlichen Ereignissen zählen insbesondere

  • Unfälle
  • längere Zeiträume ohne Nutzung
  • Veränderungen eines Gerüstes sowie
  • Naturereignisse.

Mit der Überprüfung sollen Schäden rechtzeitig festgestellt und behoben werden, um einen stets sicheren Gebrauch des Gerüsts zu gewährleisten.

Dr. Reinhard Lux