? Prof. Hermann, was zeichnet aus Ihrer Sicht gute FĂĽhrung aus?
Prof. Hans-Dieter Hermann: Zu den Eigenschaften guter Führung zählen vor allem eine ausreichende Bestätigung der Leistung von Mitarbeitern, eine ständige Nahbarkeit und die Bereitschaft, Erfolge mit den Beschäftigten zu teilen, da diese den Erfolg in aller Regel erst möglich gemacht haben.
? Können Sie uns dafür Beispiele aus Ihrer Erfahrung mit der Fußball-Nationalmannschaft nennen?
Nehmen wir das Stichwort „Bestätigung“. Bastian Schweinsteiger oder Manuel Neuer zum Beispiel sind abseits des Platzes und auch beim Trainingskick echte Kümmerer. Sie geben auch den Ersatzspielern und den Helfern auf der Bank das Gefühl, für den Mannschaftserfolg wichtig zu sein.
Ottmar Walter, einer der „Helden von Bern“ bei der Fußball-WM 1954, erzählte mir einmal von der Ansprache des damaligen Bundestrainers Sepp Herberger vor dem Endspiel. Jedem Einzelnen sagte er leise: „Auf Dich zähl’ ich heute besonders.“
? Haben Sie auch Beispiele zu den anderen genannten Faktoren?
Für Nahbarkeit ist Joachim Löw geradezu ein Musterbeispiel. Er ist der Großmeister der Personalführung durch Nahbarkeit. Löw hat für alle Nationalspieler jederzeit ein offenes Ohr. Nahbarkeit und Vertrauen sind gerade für Menschen, die vor einer besonderen Herausforderung stehen – wie in diesem Sommer die deutschen Nationalspieler –, extrem wichtig.
Zur Person
Prof. Hans-Dieter Hermann, geb. 1960, ist Sportpsychologe und betreut u. a. seit 2004 die DFB-Fußball-Nationalmannschaft bei allen Länderspielen sowie Welt- und Europameisterschaften. Seit 2010 ist Hermann Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (Saarbrücken), seit 2013 zudem Gastprofessor am Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes und seit Juli 2017 Honorarprofessor am Institut für Sportwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seit 1993 arbeitet Hermann auch als Führungskräfte-Coach und Dozent.
Auch dass Führungskräfte ihren Erfolg mit den Beschäftigten teilen, ist wichtig. Gute Führung bezieht alle am Unternehmenserfolg Beteiligten mit in das Erfolgserlebnis ein. „Keiner gewinnt allein“ bedeutet auf dem Platz, dass beispielsweise der Torschütze immer im Pulk mit seinen Mitspielern jubelt, dass das Erfolgserlebnis stets ein gemeinsames ist.
? Wie können Führungskräfte die Eigenmotivation von Beschäftigten stärken?
Dazu fällt mir das WM-Finale von 2014 ein: Stellen Sie sich vor, Sie sind einer der elf Deutschen. Was geht denen durch den Kopf? Dem einen vielleicht: „Weltmeister will ich werden. Ich geb’ alles.“ Sehr klare Zielsetzung, hochmotiviert. Es gibt aber auch einige dabei, die sagen sich: „Ja, Weltmeister will ich werden – aber hoffentlich klappt’s. Das letzte Finale haben wir auch vergeigt.“
Die Frage ist: Wie gehe ich so etwas an? Als Herausforderung oder als Bedrohung? Wenn eine Führungskraft immer sagt: „Dort oder dort ist eine Bedrohung“, geht sie anders an eine Sache heran, als wenn sie sagt: „Das und das mache ich jetzt!“ Die Kunst einer Führungskraft ist es, ihren Mitarbeitern deutlich zu sagen: „Das wol-len wir machen, so kriegen wir es hin, das ist der Weg“ – also die Konstruktion einer Herausforderung, nicht eines Risikos.
? Kann der Vorgesetzte auch das Selbstwertgefühl seiner Mitarbeiter fördern?
Wir müssen davon überzeugt sein, dass es wichtig und richtig ist, was wir tun. Die wahre Sinnhaftigkeit entsteht dort, wo wir erleben: „Hier bin ich richtig. Ich gehör’ zum Leben.“ Für die Führungskraft bedeutet das, einem Mitarbeiter zu sagen: „Du als Person bist wichtig für uns.“