Dieses Foto zeigt einige Personen, die sich stehend auf einer Gemeinschaftsveranstaltung unterhalten.

Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen: Wie sieht es mit der gesetzlichen Unfallversicherung aus?

Unter welchen Voraussetzungen eine betriebliche Veranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, haben bereits einige Artikel in etem ausfĂĽhrlich dargestellt. Die Arbeitswelt ist im Wandel und so bietet auch die Rechtsprechung inzwischen diverse Neuerungen zu diesem Thema.

1. Betrieblicher Zweck

Bisher war es erforderlich, dass die Veranstaltung den Zusammenhalt von Beschäftigten und Unternehmensleitung unterstützt. Jetzt reicht es aus, das Betriebsklima damit zu fördern und den Zusammenhalt der Beschäftigten untereinander zu stärken. Dazu braucht es mindestens einen Programmpunkt, an dem alle Veranstaltungsbesucher teilnehmen. Stehen hingegen andere Ziele im Vordergrund, etwa Freizeit, Unterhaltung oder Erholung, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zweck.

2. Im Auftrag der Unternehmensleitung

Die Veranstaltung muss nicht nur im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung stattfinden, sondern auch in deren Auftrag geplant und durchgeführt werden. Diese Bevollmächtigung muss als formeller Akt feststellbar sein, damit die Veranstaltung als betriebliche gilt. Veranstalter kann dabei auch der Betriebsrat, eine organisatorische Einheit oder Dienststelle des Unternehmens sein, solange die Unternehmensleitung diese beauftragt. Ihre bloße Zustimmung, Kenntnisnahme oder Hinnahme genügt allerdings nicht. Versicherungsschutz besteht auch dann nicht, wenn die Unternehmensleitung die Veranstaltung lediglich fördert (z. B. indem sie organisatorische Regeln – wie die Arbeitszeit – ändert oder Räume bereitstellt).

Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 15. November 2016 (B 2 U 12/15 R):

Der Kläger ist als Bankkaufmann bei einem Kreditinstitut beschäftigt. Während eines Fußballturniers des Unternehmens zog er sich eine Achillessehnenruptur zu. An dem Fußballturnier, das einmal jährlich stattfindet, können neben den Beschäftigten der Bank auch Externe teilnehmen. Die Veranstaltung war im Intranet angekündigt und richtete sich an „alle Fußballfans und Kicker“. Die Spieler mussten sich anmelden. Von insgesamt 3.000 Mitarbeitenden nahmen etwa 594 am Fußballturnier teil, zusätzlich 78 Externe.

Da sich die Einladung (nur) an die „Fußballfans und Kicker“ gerichtet habe, sei nach Einschätzung des Bundessozialgerichtes bereits fraglich, ob es sich tatsächlich um eine Veranstaltung für alle Beschäftigten gehandelt haben kann. Die Veranstaltung sah zudem für diejenigen, die nicht als Fußballspieler teilnahmen, keine weiteren Programmpunkte außerhalb des Fußballturniers vor. Für diesen Personenkreis stand vielmehr die Zeit während des Turniers zur freien Verfügung. Diese Möglichkeit, den Tag individuell zu gestalten, lasse zugleich zweifelhaft erscheinen, dass die Veranstaltung insgesamt zum „Wir-Gefühl“ im Betrieb beitragen könne. Das Turnier sei daher eher als eine Freizeitveranstaltung zu werten. Eine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung scheide aber vor allem deshalb aus, weil das Turnier von vorneherein nicht nur unwesentlich auch Externen offen gestanden habe. Somit habe die Veranstaltung nicht darauf abgezielt, die Verbundenheit der Beschäftigten zu pflegen.

3. Anwesenheit der Unternehmensleitung

Mit Blick auf eine veränderte Arbeitswelt haben die Gerichte entschieden, dass die Unternehmensleitung an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht (mehr) teilnehmen muss. Es reicht aus, wenn bei dezentralen Gemeinschaftsveranstaltungen die jeweilige Sachgebiets- oder Teamleitung anwesend ist – allerdings mit der Befugnis der Unternehmensleitung, eine solche betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchzuführen. Die Unternehmungsleitung muss verdeutlichen, dass sie sachgebiets- oder teambezogene Feiern wünscht.

4. Teilnahme der Beschäftigten

Die Teilnahme muss grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es kommt nicht nur darauf an, dies durch Aushänge etc. kundzutun. Auch das Programm muss so gestaltet sein, dass sich alle angesprochen fühlen und daran teilnehmen können. Das Bundessozialgericht hat wiederholt klargestellt, dass z. B. reine Sportveranstaltungen nicht versichert sind. Die Konzeption muss auf die Teilnahme aller Beschäftigten ausgerichtet sein, also ein Programm vorsehen, das die Gesamtheit der Belegschaft anspricht und nicht nur eine begrenzte oder ausgewählte Gruppe.

Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 5. Juli 2016 (B 2 U 19/14 R):

Ein Unternehmen hat 2.350 Beschäftigte, davon rund 230 in der Dienststelle K., in der die Klägerin tätig ist. Diese Dienststelle gliedert sich in Referate, diese wiederum in Sachbereiche, denen jeweils zwei Sachgebiete untergeordnet sind. In einer Dienstbesprechung wurde 2008 vereinbart, dass Sachgebiets-Weihnachtsfeiern in der Kernarbeitszeit stattfinden dürfen und den Teilnehmenden zehn Prozent der Zeit auf ihre wöchentliche Arbeitszeit gutgeschrieben werde. Auf der Sachgebiets-Weihnachtsfeier am 9. Dezember 2010, an der lediglich die Sachgebietsleiterin, aber kein Unternehmensvertreter, teilnahm, wurde zunächst gemeinsam Kaffee getrunken. Anschließend wanderten die Teilnehmenden gemeinsam. Dabei stürzte die Klägerin stürzte und verletzte sich.

Nach bisheriger Rechtsprechung liegt eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vor, wenn die Veranstaltung im Auftrag der Unternehmensleitung stattfindet. Davon ist das Gericht im Hinblick auf die Dienstbesprechung von 2008 und der darin getroffenen Regelungen ausgegangen. Als weiteres Kriterium für versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen galt zwar in der Vergangenheit, dass die Unternehmensleitung persönlich an der Feier teilnehmen müsse. Allerdings werde daran nicht mehr festgehalten, so das Gericht.

Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen müssten einen betrieblichen Zweck verfolgen. Dafür sei es nach Überzeugung des Senats ausreichend, dass die Veranstaltung das Betriebsklima fördere und den Zusammenhalt der Beschäftigten untereinander stärke: „Dass gerade die Betriebsleitung im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung persönlichen Kontakt zu den Beschäftigten herstellen können muss, ist mit Blick auf eine veränderte Arbeitswelt nicht (mehr) notwendig.“

Der unfallversicherungsrechtlich schützenswerte, betriebsfördernde Zweck werde schon erreicht, wenn kleinere Einheiten eines Betriebs Gemeinschaftsveranstaltungen durchführen. Gebe die Betriebsleitung, wie im vorliegenden Fall durch jahrelange Praxis, zu erkennen, dass sie sachgebietsbezogene Feiern wünsche, genüge dies.

Notwendig sei aber, dass die Feier allen Mitarbeitenden des Sachgebietes offenstehe und die Sachgebiets- oder Teamleitung an der Veranstaltung teilnehme. Ferner wurde klargestellt, dass es auf die tatsächliche Anzahl der Teilnehmenden im Sinne einer absoluten Untergrenze nicht ankomme.

5. Einladung von Externen

Wenn an einer Veranstaltung von vornherein zu einem nennenswerten Teil auch Personen teilnehmen dürfen, die nicht zum Unternehmen gehören, besteht kein Unfallversicherungsschutz. Das gilt insbesondere dann, wenn Externe explizit dazu eingeladen werden. „Inwieweit an der früheren Rechtsprechung […] festzuhalten ist, dass die Erlaubnis, Familienangehörige mitzubringen, dem Versicherungsschutz nicht entgegensteht und die Anwesenheit der Familie sogar die Betriebsverbundenheit fördert […]“, hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 15. November 2016 (Aktenzeichen B 2 U 12/15 R) offengelassen. Nach unserem Dafürhalten steht es dem Versicherungsschutz auch weiterhin nicht entgegen, wenn die Mitarbeitenden – im angemessenen Rahmen – Familienangehörige zu der Veranstaltung mitbringen. Die Familienangehörigen selbst sind dabei grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert. Nach § 63 der Satzung der BG ETEM kann eine Ausnahme gelten, wenn die Veranstaltung auf dem Betriebsgelände stattfindet.

6. Mindestteilnehmerzahl

Auf die tatsächliche Anzahl der Teilnehmenden im Sinne einer absoluten Untergrenze kommt es nicht an. Dennoch müssen in der Gesamtschau ausreichend Beschäftigte an der Veranstaltung teilnehmen, da ansonsten kein betrieblicher Zweck gegeben ist (vgl. Punkt 1). Laut bisheriger Rechtsprechung galt dafür ein Anteil von 20 Prozent der Eingeladenen als ausreichend.

Nancy Schmidt