Abbildung 1: Geschlossene, abgesaugte automatische Reinigungseinrichtung mit Überwachung der Gefahrstoffkonzentrationen

Abbildung 1: Geschlossene, abgesaugte automatische Reinigungseinrichtung mit Überwachung der Gefahrstoffkonzentration.

Das Reinigen von Werkstücken mit Reinigungsflüssigkeiten ist in fast allen Branchen der BG ETEM anzutreffen – beispielsweise an Werkzeugen im Werkzeugbau, in Kfz-Werkstätten, an Kabelenden in der Erdkabelmontage, bei der Vorbehandlung in der Galvanotechnik, an Oberflächen vor dem Aufbringen von Lackschichten u. a.

Genauso vielfältig wie die Einsatzbereiche sind die eingesetzten Reinigungsmittel und Reinigungseinrichtungen. Um eine arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung erstellen zu können, müssen hierüber ausreichende Kenntnisse vorliegen. Eine systematische Vorgehensweise ist unabdingbar. Eine Reihe aktueller Regelungen und Schriften kann hierbei sehr hilfreich sein.

Reinigungsmittel und mögliche Gefährdungen

Reinigungsmittel können sein:

  • Wässrige Reiniger (sauer, alkalisch oder mit waschaktiven Substanzen)
  • Kohlenwasserstoffgemische (KW), additivfrei oder mit Additiven versetzt, sog. Komplexe Kohlenwasserstoffhaltige Gemische (KKG)
  • Chlorkohlenwasserstoffverbindungen (Perchlorethylen, Trichlorethylen u. a.) bei Verwendung in geschlossenen Reinigungseinrichtungen
  • sonstige organische Lösemittel, wie z. B. Aceton, Ethanol, Toluol

Das Ausmaß einer Gefährdung ergibt sich u. a. durch die gefährlichen Eigenschaften (Einstufung entsprechend CLP-Verordnung), die relevanten Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz, das Freisetzungsverhalten (Dampfdruck) sowie die Verarbeitungsverfahren (in offenen Gefäßen, in geschlossenen Einrichtungen u. a.). Erste Auskünfte zum Reiniger gibt das aktuelle Sicherheitsdatenblatt des Herstellers; Hinweise zu den Gefahrstoffen geben auch Datenbanken, wie z. B. GESTIS, GIS-BAU, GISCHEM, CHEMSAFE.

Generell sind Reiniger bei wiederholtem Hautkontakt durch die Entfettungswirkung hautgefährdend. Im Einzelfall kann die Gefahr unter Beachtung der TRGS 401 mithilfe der „Gefährdungsmatrix“ beurteilt werden. Eine grobe Übersicht zu den Hauptgefährdungen der in der Praxis häufig eingesetzten Reinigungsmittel und anzuwendender Luftgrenzwerte gibt Tabelle 1.

DGUV Information 209-088

Das Foto zeigt zwei Werkstücke auf der Titelseite. der DGUV Information 209-088

Wichtige Informationen, übersichtlich gebündelt: Die DGUV Information „Reinigen von Werkstücken mit Reinigungsflüssigkeiten“ gibt Praktikern hilfreiche Tipps.

Tabelle 1: Hauptgefährdungen von Reinigungsmitteln

Reinigungsmittel Relevante Gefahrstoffe Hauptgefährdungen Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz

Wässrige Reiniger (alkalisch oder sauer)

u. a. Natronlauge, Carbonate, Phosphate, Borate, Mineralsäuren, Tenside, wassergemischte Kühlschmierstoffe

Je nach pH-Wert ( 11,5) Ätz- oder Reizwirkung auf Haut und Augen

z. B. 0,5 mg/m³ (LIG) für Natronlauge

Kohlenwaserstoffe (KW) – additivfrei

Kohlenwasserstoffgemische (RCP-Gruppen) entsprechend Abschnitt 2.9 TRGS 900

Je nach Flammpunkt, ggf. entzündbare Flüssigkeiten; ggf. gesundheitschädlich beim Einatmen von Dämpfen oder Hautkontakt

Gruppengrenzwerte in mg/m³ entsprechend Abschnitt 2.9 der TRGS 900:
C6-C8-Aliphaten: 700 mg/m³
C9-C14 Aliphaten: 300 mg/m³
C9-C14 Aromaten: 50 mg/m³

Additivierte Kohlenwasserstoffe (KKG)

Nichtwassermischbare oder wassergemischte Kohlenwasserstoffprodukte mit mehr als 1 % Additive, siehe DGUV-Information 213-726

wie KW (s. o.)

Nach dem Stand der Technik erreichbare Konzentrationen:
KKG Gruppe A: 100 mg/m³
KKG Gruppe B: 40 mg/m³
KKG Gruppe C 10 mg/m³
(siehe DGUV I 213-726)

CKW

z. B. Trichlorethylen

Krebserzeugend, Kategorie 1B

33 mg/m³ (AK)
60 mg/m³ (TK)

Ketone

z. B. Aceton

Risiko der Fruchtschädigung „Y“; leicht entzündbar

1200 mg/m³ (AGW)

Alkohole

z. B. Ethanol

Risiko der Fruchtschädigung „Y“; leicht entzündbar

380 mg/m³ (AGW)

Aromaten

z. B. Toluol

Entwicklungsschädigend, Kategorie 2; hautresorptiv „H“; leicht entzündbar

190 mg/m³ (AGW)

AK = Akzeptanzkonzentration

TK = Toleranzkonzentration gemäß TRGS 910

AGW = Arbeitsplatzgrenzwert gemäß TRGS 900;

LIG = Liste internationaler Grenzwerte (siehe www.GESTIS.de)

„Y“ gibt einen Hinweis auf Fruchtschädigung; „H“ bedeutet der Gefahrstoff ist hautresorptiv, d. h. gelangt durch die unverletzte Haut in den Organismus (siehe TRGS 900).

Reinigungseinrichtungen

Entscheidend für die Höhe einer Exposition ist letztlich das Verarbeitungsverfahren. Die Gefährdung nimmt ausgehend von der offenen Anwendung hin zur geschlossenen, dichten oder abgesaugten Anlage ab.

  • Reinigungsgefäße (z. B. kleinere Tauchgefäße auf Werktischen)
  • Reinigungstische (Waschtische mit untergestellten Vorratsfässern und Flüssigkeitspumpe)
  • Reinigungsanlagen (geschlossene automatische Durchlaufanlagen) – siehe Abbildung 1.

Gefährdungsbeurteilung zum Gefahrstoffumgang

Am Anfang der Gefährdungsbeurteilung steht immer die Frage nach der Substitution, d. h.: Kann für den Anwendungszweck ein möglichst unkritisches Reinigungsmittel eingesetzt werden? Oder lässt sich ein möglichst emissionsarmes Reinigungsverfahren anwenden? Das Ergebnis der Substitution muss dokumentiert werden (TRGS 600). Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind dann die Gefährdungen beim Einatmen, Hautkontakt, Verschlucken sowie Brand- und Explosionsgefahren zu ermitteln und zu bewerten.

Tabelle 2: Reinigungsmittel und Hilfen bei der Gefährdungsbeurteilung

Reinigungsmittel Anwendbare Regelungen und Schriften

Alle Reiniger und Reinigungseinrichtungen

DGUV Information 209-088 „Reinigen von Werkstücken mit Reinigungsflüssigkeiten“

Wässrige, schwach alkalische Reiniger, u. a. wassergemischte Kühlschmierstoffe
(pH-Werte ca. 8 bis 11)

DGUV Regel 109-003 „Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen“

Kohlenwasserstoffe (KW) – additivfrei

DGUV Information 213-072 „Lösemittel“(Merkblatt M 017)

Additivierte Kohlenwasserstoffe (KKG) mit mehr als 1 % Additive

DGUV Information 213-726 „Tätigkeiten mit sonstigen komplexen kohlenwasserstoffhaltigen Gemischen (KKG)“ Merkblatt M 043 „Kaltreiniger“

Saure oder alkalische Reiniger

DGUV Information 213-070 „Reizende Stoffe, Ätzende Stoffe“

Chlorkohlenwasserstoffe

Merkblatt M 040 „Chlorkohlenwasserstoffe“

Aus dem Ergebnis leiten sich schließlich die Schutzmaßnahmen ab. Hierbei gilt das bekannte TOP-Prinzip (siehe TRGS 400 und TRGS 500): Technische Maßnahmen haben immer Vorrang vor organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Mithilfe der angebotenen Regelungen, teils mit Expositionsbeschreibungen kann der „Weg“ der Gefährdungsbeurteilung deutlich abgekürzt werden (siehe Tabelle 2).

Peter Michels